News

Die Sache mit den Oldtimern im Heizungskeller

So gesehen... Gedanken zur #WocheDerWärme

Von Claudia Röhr

Bei der Energiewende im Heizungskeller sind wir Deutschen merkwürdig besitzstandswahrend. Wir hängen an unseren alten Heizungsanlagen wie ein Oldtimerfan an seinen Sammlerobjekten, und wir halten an den Energieträgern Öl und Gas fest, als hätten die Fossilen ihre besten Zeiten noch vor sich. Kein Wunder, dass die Energiewende im Wärmemarkt so schleppend vorankommt.

Der Heizungsbestand ist unfassbar alt. 15 Mio. Wärmeerzeuger in Deutschland entsprechen nicht dem Stand der Technik. Sähe es auf unseren Straßen so aus wie in unseren Heizungskellern… Drei von vier Autos wären klapprige und stinkende Oldtimer, und gemeint sind hier nicht die liebevoll gepflegten und betagten Karossen, deren Besitzer stundenlang die verchromten Zierleisten polieren und die sowieso weniger zum Fahren, sondern mehr als Kulturgut zum Anschauen gedacht sind. Nein, wir reden von der großen Mehrzahl der tatsächlich im Alltagsverkehr genutzten Fahrzeuge, die 20, 30, 40 oder sogar 50 Jahre alt wären, und kein TÜV würde uns davon erlösen.

Verstehe einer die Deutschen. Sie kaufen im Schnitt alle fünf bis sechs Jahre ein neues Auto, 10,8 Autos im Laufe des Lebens. Und eine neue Heizung? Das ist sowieso schon eine Investition für mindestens 15 bis 20 Jahre. Viele Hausbesitzer warten noch viel länger. Dies hat vor allem einen Grund. Eine Heizung wird erst saniert, wenn sie kaputt geht. Alte Autos fahren zwar auch noch, aber die stehen eben nicht im Keller, sondern vor dem Haus. Selbst wer die finanziellen Mittel hat, denkt nicht an die Heizung. Es wird eher in ein schickes Auto, eine neue Küche oder ein vorzeigbares Badezimmer investiert.

Es werden weiter munter Öl- und Gaskessel verbaut

Wer nun einen Oldtimer im Heizungskeller sein Eigen nennt, pustet gut und gerne 30 Prozent der Energie durch den Schornstein hinaus. Auf Klimaanlage und elektronisches Stabilisierungsprogramm wollen die meisten Autofahrer nicht mehr verzichten, auf einen Abgaswärmetauscher oder eine Hocheffizienzpumpe für die Heizung tun viele dies getrost. Das Argument, mit einer neuen Heizung Energie und somit langfristig Betriebskosten zu sparen, hilft kaum. So verwundert es nicht, dass die jährliche Sanierungsquote bei unter fünf Prozent liegt. Geht es in diesem Tempo weiter, dauert es noch Jahrzehnte, den gesamten deutschen Heizungsbestand zu erneuern.
Und das heißt noch längst nicht, dass es dann keine fossil betriebenen Heizungen mehr gäbe. Von wegen. Gleich so als gehöre die Eiche-rustikal-Schrankwand zum Leitbild einer blühenden Wirtschaftsnation, werden weiter munter Öl- und Gaskessel verbaut. Diese sind immerhin effizienter als ihre Vorgänger, aber wir bleiben abhängig von fossilen Energieträgern - und das wiederum für mindestens 15 bis 20 Jahre. Der Grund für die anhaltend hohe Nachfrage nach Öl- und Gaskesseln: Angesichts des stark veralteten Bestandes droht oft das überraschende Aus der Heizung, und zwar genau dann, wenn sie stark beansprucht wird, also im Winter. Dann kann man nicht wählerisch sein. Installiert wird, was auf Lager ist, was schnell geht, womit man sich nicht lange beschäftigen muss. Der Einbau einer alternativen Heizung dagegen will gut überlegt und vorbereitet sein und ist nicht in Kürze realisierbar.

Es wird für eine erfolgreiche Wärmewende in Zukunft insbesondere darauf ankommen, Heizungsbesitzer zu bewegen, frühzeitig über den Austausch der Heizung nachzudenken. In der Neuropsychologie ist es die kognitive Fähigkeit des Menschen, an die Zukunft zu denken und entsprechend zu handeln. Aber wer weiß schon, wie es um den Zustand seiner Heizung bestellt ist? Der Schornsteinfeger kontrolliert zwar Abgaswerte und Wirkungsgrad, der Heizungsbauer führt die Wartung durch. Doch auch bei den Fachleuten herrscht zumeist die Meinung vor: Saniert werden muss erst, wenn die alte Heizung kaputt geht. Hinzu kommen eine gute Auftragslage und der zunehmende Fachkräftemangel. Das Heizungshandwerk wird die Hausbesitzer also eher nicht dazu bewegen, über den Heizungstausch nachzudenken.

Falls doch, steht der Verbraucher immer noch vor der Frage: Womit er in Zukunft heizen will. Auch hier haben es alternative Heiztechniken nach wie vor schwer. Ein Systemwechsel von Öl oder Gas auf erneuerbare Energien ist trotz inzwischen sehr gut ausgestatteter Fördermöglichkeiten in der Investition teurer. Angesichts des historischen Sinkflugs des Ölpreises glaubt heute niemand mehr an die These, dass Öl und Gas schon in naher Zukunft nicht mehr bezahlbar sein werden. Verwirrend ist auch, dass die Bundesregierung mit dem Corona-Konjunkturpaket weiterhin Anreize zum Kauf fossiler Heizsysteme gibt. Ergebnis: Die Menschen bleiben unsicher und halten sich bei der Heizungssanierung eher zurück.

Gewissen und Emotionen beim Heizungskauf

Für Sanktionen gibt es in der Politik bislang keine Mehrheiten. Anders handhaben es unsere dänischen Nachbarn, die den Einbau von Ölheizungen komplett verboten haben. Die Einsicht in die Notwendigkeit wird wohl der größte Hebel der Wärmewende bleiben. In der Diskussion um die Heizungssanierung wurde in der Vergangenheit vor allem auf die Kosten fokussiert. Die Branche steht nun vor der Aufgabe, das Thema Heizen künftig mehr unter ökologischen, sozialen und auch emotionalen Aspekten zu transportieren. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Die Nachfrage nach ökologischen Produkten steigt. Ebenso der Wunsch nach Authenzität, nach regionalem Bezug zu einem Produkt. Beides - Ökologie und Regionalität - kann fossile Wärme nicht bieten. Und: Eine moderne und umweltgerechte Heizung ist nicht nur gut fürs Gewissen. Sie macht auch stolz. Die zeigt man gerne her - wie ein neues Auto, selbst dann, wenn man nicht zu den Menschen gehört, die sich über 1,5 Tonnen Blech definieren oder die ihren Autos Namen geben.

Im Rahmen der #WocheDerWärme, einer Initiative des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE) und seiner Spartenverbände, präsentiert der BEE konkrete politische Impulse zur Beschleunigung des Kurswechsels im Wärmemarkt. Mehr Infos unter www.bee-ev.de.

Auch interessant

Über uns

Unsere Vision

Projekte

Veränderte Luftströmungen im Umfeld von Windparks führen zu einer stärkeren Durchmischung der unteren Luftschichten. Dies kann nachts einen räumlich begrenzten Erwärmungseffekt in Bodennähe haben. Diesen Effekt nutzen Obstbauern beispielsweise, um Schäden durch späte Nachtfröste im Frühjahr zu minimieren. Das Klima der bodennahen Luftschichten wird als Mikroklima bezeichnet.

Zum Nachlesen:

Lokale mikroklimatische Effekte durch Windkrafträder, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, 2020

In einer Studie des Umweltbundesamtes wurde die Energy Payback Time, also die energetische Amortisationszeit, von Windenergieanlagen untersucht. Sie lag zwischen 2,5 und 11 Monaten.

Zum Nachlesen:

Abschlussbericht Umweltbundesamt (UBA), Mai 2021: „Aktualisierung und Bewertung der Ökobilanzen von Windenergie- und Photovoltaikanlagen unter Berücksichtigung aktueller Technologieentwicklungen"