Klimawissen

Windenergie und Immobilienpreise - Die Fakten

Ein häufig vorgetragenes Argument: Windräder führen zum Wertverlust von Gebäuden im Umkreis. Was ist wirklich dran? Ein Faktencheck der Energieagentur NRW.

Mindert ein Windpark in der Nähe tatsächlich den Wert einer Immobilie? Die Energieagentur NRW hat Experten zu einem Faktencheck zum Thema Windenergie und Immobilienpreise eingeladen. Ergebnis: Der Immobilienmarkt hängt von vielen verschiedenen Einflussfaktoren ab, sodass Preisschwankungen sich methodisch nicht auf einen einzelnen Faktor zurückführen lassen. Ein direkter Einfluss von Windenergieanlagen auf Immobilienwerte ist also empirisch nicht nachweisbar. „Die Befunde lassen nach derzeitigem Stand dennoch die Aussage zu, dass Windenergieanlagen keinen dauerhaft negativen Einfluss auf die Immobilienwerte haben“, heißt es am Ende des Faktenchecks.

Wovon hängen die Immobilienpreise ab?

Prof. Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School Bochum, sagt, für die Preisbildung von Grundstücken, Häusern und Wohnungen gelte grundsätzlich derselbe Marktmechanismus wie für jedes andere Gut. Das Preisniveau hänge vom Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage ab. Die Angebotslage werde durch Bestand, Leerstand und Neubauaktivitäten gelenkt, während die Nachfrage vom Standort, der regionalen Sozial- und Wirtschaftsstruktur sowie der allgemeinen Vermögensentwicklung und dem demografischen Wandel beeinflusst wird. Konkret fließen in die Kaufpreisgestaltung folgende Faktoren ein: Größe, Baujahr, Zustand und Sanierungsbedarf, Lage und Erreichbarkeit, Standortimage und Attraktivität der näheren Umgebung. Diese Faktoren könnten, so Vornholz, eine mögliche Abweichung von Durchschnittspreisen nach oben oder unten rechtfertigen. Zudem spielen persönliche Beweggründe eine Rolle. Der tatsächliche Verkaufspreis lasse sich daher nicht präzise berechnen und voraussagen.

Eine zentrale Einflussgröße sei die Demografie, insbesondere auf dem Land. Die seit Jahren zu beobachtende Landflucht führe abseits der Ballungsräume zu einer sinkenden Nachfrage nach Immobilien und in der Folge zu Leerständen und Preisrückgängen.

Auch Umfeld- und Umwelteinflüsse würden auf Immobilienwerte wirken. Dazu zählen markante Bauwerke wie Windräder, genauso wie Industrie- und Gewerbeanlagen, Kraftwerke, Autobahnen und Flughäfen.

All die genannten Faktoren beeinflussen in ihrem Zusammenwirken den Preis einer Immobilie.

Sind Preisveränderungen durch Windenergie nachweisbar?

Um wissenschaftlich eindeutige Aussagen zu erhalten, wären idealtypische Voraussetzungen notwendig. „Man müsste in zwei verschiedenen Wohngebieten mit gleichen Rahmenbedingungen, von denen eines an ein Windrad grenzt und das andere nicht, die Preise für Wohnimmobilien über einen vergleichsweise langen Zeitraum ermitteln“, erläutert Günter Vornholz von der EBZ Business School. Solche Rahmenbedingungen seien in der Praxis allerdings kaum anzutreffen. Kurzum: Die Vergleichbarkeit von Haus- und Grundstücksverkäufen ist schwierig. Somit lässt sich ein unmittelbarer Werteinfluss von Windenergieanlagen auf umliegende Grundstücke und Immobilien nicht ohne Weiteres nachweisen. Hinzu komme, dass regional gewonnene Erkenntnisse nicht ohne Weiteres auf andere Regionen übertragbar seien.

Wie aussagekräftig sind Umfragen unter Maklern?

Einen Ansatz, den Zusammenhang zwischen Windenergie und Immobilienpreisen zu konkretisieren, bilden häufig Branchenumfragen von Haus- und Grundbesitzerverbänden sowie Befragungen von Immobilienmaklern. Auf die Ergebnisse dieser Umfragen wird in Debatten um das Thema immer wieder verwiesen, allerdings mit zweifelhafter Aussagekraft. Denn auffallend bei diesen Umfragen: Vornehmlich wird die persönliche Einschätzung des Befragten wiedergegeben, einen Beleg für eine Wertminderung liefern die Umfragen nicht, allenfalls Anhaltspunkte. In einer Blitzumfrage des Maklerverbandes 2013 wurden 688 Makler befragt, nur rund 16 Prozent hatten Erfahrungen beim Verkauf Windrad naher Immobilien, 84 Prozent hatten keine direkte oder indirekte Erfahrung. Dennoch rechneten beide Gruppen mit einer gleich hohen prozentualen Wertminderung von durchschnittlich 20 Prozent. Solche Umfragen sind ein Indiz dafür, dass es Kaufpreisschwankungen gibt, ob diese allerdings auf Windräder oder andere Faktoren zurückzuführen sind, lässt sich damit nicht belegen, vielmehr basieren die Umfragen auf persönliche Einschätzungen.

Kurzfristige Verkaufsflauten gehören durchaus zum Geschäft

Lassen sich infolge von baulichen Veränderungen im Umfeld schlechtere Preise erzielen, sprechen Sachverständige und Gutachter von „vorübergehenden Marktirritationen“. Der Bau einer Umgehungsstraße, einer Stromtrasse, eines Windparks oder anderer Großprojekte können zu solchen vorübergehenden Preisveränderungen führen. Die Immobilienwerte pendeln sich aber nach einer Weile wieder auf dem alten Niveau ein. Anders ist es bei tatsächlichen Umwelteinflüssen wie Flug- und Verkehrslärm oder Luftverschmutzung. Studien zeigen, dass es dadurch zu Wertminderungen kommen kann. Diese lägen allerdings im geringen Prozentbereich. Angebot und Nachfrage sowie das Image würden überwiegen.

Wie ist denn nun die Studienlage?

In den vergangenen Jahren hat es trotz der beschriebenen Komplexität des Themas eine Reihe von methodischen Untersuchungen dazu gegeben. Von 2005 bis 2012 wurde beispielsweise in Ostfriesland eine Studie durchgeführt, bekannt unter dem Titel „Grundstücksmarktbericht Aurich“. Negative Auswirkungen auf Kaufpreise benachbarter Häuser wurden dabei nicht festgestellt. Eine ähnliche Untersuchung fand in Aachen statt. Hier wurden über einen Zeitraum von zehn Jahren die Kaufpreise analysiert. Auch hier konnte kein empirischer Zusammenhang zwischen der Windenergieerzeugung und den Grundstückswerten hergestellt werden. Die Kaufpreise lagen im üblichen Streubereich.

Ein paar praktische Beispiele aus dem Land Brandenburg

Angesichts der großen Nachfrage, gerade nach Einfamilienhäusern, steigen derzeit die Immobilienpreise in Brandenburg, hat der Landesverband Berlin/Brandenburg des Bundesverbandes Windenergie (BWE) recherchiert. Das gelte besonders für das Umfeld von Berlin und rund um Potsdam. Aber auch für die Kleinstadt Brandenburg zeigten Auswertungen des Portals immowelt, dass allein von 2016 bis 2018 die Preise für angebotene Häuser um mehr als 22 Prozent zugelegt haben. Anders in der Prignitz: In der Kreisstadt Perleberg sowie im Umland seien die Preise leicht rückgängig. Dies habe sicher viel zu tun mit dem Mangel an Arbeit und Perspektiven sowie mit der Verkehrsanbindung. Parallel seien die Preise für Häuser in Städten wie Prenzlau und insbesondere im Landkreis Uckermark gestiegen, dabei gebe es im nördlichem Teil der Uckermark viele Windeignungsgebiete. Laut ImmoScout seien die Preise dort in den vergangenen Jahren um jährlich drei Prozent angezogen.

Fazit

Während Makler schätzen, dass es durch Windräder in der Nachbarschaft zu einem Wertverlust in einer Größenordnung von bis zu 30 Prozent kommt, kommen verschiedene regionale Untersuchungen der tatsächlichen Kaufpreise zu dem Ergebnis, dass Immobilien keinen oder nur sehr geringe Wertverluste durch Windenergieanlagen erfahren. Die Energieagentur NRW kommt nach ihrem Faktencheck zu dem Thema zu folgendem Ergebnis: „Eine Optimierung der Forschungsarbeit erweist sich im Zuge der Faktenklärung als Herausforderung, weil die Immobilienbewertung nicht exakt ermitteln kann, in welchem Maße sich andere Faktoren – neben der Windenergie – auf die Immobilienpreise auswirken. Mit gewissen Unsicherheiten muss in dieser Thematik also vorerst umgegangen werden. Auch können die vorliegenden Untersuchungsergebnisse wegen der Einzigartigkeit jeder einzelnen Region und Immobilie nicht ohne Weiteres auf andere Gebiete übertragen werden. Die Befunde lassen nach derzeitigem Stand dennoch die Aussage zu, dass Windenergieanlagen keinen dauerhaft negativen Einfluss auf die Immobilienwerte haben.“

Faktencheck Windenergie und Immobilienpreise
Eine Dokumentation der Energieagentur NRW

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Veränderte Luftströmungen im Umfeld von Windparks führen zu einer stärkeren Durchmischung der unteren Luftschichten. Dies kann nachts einen räumlich begrenzten Erwärmungseffekt in Bodennähe haben. Diesen Effekt nutzen Obstbauern beispielsweise, um Schäden durch späte Nachtfröste im Frühjahr zu minimieren. Das Klima der bodennahen Luftschichten wird als Mikroklima bezeichnet.

Zum Nachlesen:

Lokale mikroklimatische Effekte durch Windkrafträder, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, 2020

In einer Studie des Umweltbundesamtes wurde die Energy Payback Time, also die energetische Amortisationszeit, von Windenergieanlagen untersucht. Sie lag zwischen 2,5 und 11 Monaten.

Zum Nachlesen:

Abschlussbericht Umweltbundesamt (UBA), Mai 2021: „Aktualisierung und Bewertung der Ökobilanzen von Windenergie- und Photovoltaikanlagen unter Berücksichtigung aktueller Technologieentwicklungen"